rechtschreibung

diese seite ist eigentlich nicht so wichtig – es geht auch um persoenliches – aber gelegentlich gibt es anfragen bezueglich der hier verwendeten rechtschreibung.

fuer alles in genereller kleinSchreibung bin ich (peter bertram) verantwortlich.

beitraege von anderen sind meistens in der bei uns ueblichen gross-/kleinSchreibung gehalten – insbesondere unsere einladungen werden so gestaltet, wie es der vortragende haben moechte.

warum schreibe ich alles klein? ich verwende die kleinSchreibung schon so lange (seit ca.1968), dass ich nicht mehr ganz genau weiss, wie es angefangen hat. jedenfalls geraten wir mit der frage sofort ins philosophieren.

bei platon „Der Staat“ (lat. Res publica, engl. Republic) findet sich der sokratische Wahlspruch
„We must follow the argument wherever, like a wind, it may lead us“
(Republic 394d)
„wohin auch immer der wind des arguments uns treibt, da liegt unser kurs“
(uebersetzung von mir)

in den 68-ern bin ich irgendwie auf auf die frage der gross-/kleinSchreibung (im folgenden „gks“ abgekuerzt) gestossen, habe mir das genauer angeschaut und einige interessante argumente gefunden:

• sprache ist vor allem gesprochene sprache
• schriftliches sollte sich nahe am gesprochenen halten
• die regeln zu gks korrespondieren in keiner weise mit dem gesprochenen – ausgenommen vielleicht die satzanfaenge (da koennte man drueber reden)
• unsere heutigen kleinbuchstaben entwickelten sich aus den karolingischen minuskeln. die wurden als verwaltungsschrift unter karl dem großen eingefuehrt. aus gründen der alltagstauglichkeit (weil sie schneller ausführbar und besser lesbar waren) hat man nur kleine buchstaben verwendet und nicht auch die grossen buchstaben aus dem lateinischen uebernommen.
• erst mit der marotte, die anfangsBuchstaben eines wortes besonders kunstvoll auszugestalten , fing man in deutschen landen an (etwa ab dem 14.jh.), moeglichst viele worte mit grossen buchstaben beginnen zu lassen – weil bei den grossen buchstaben viel mehr platz fuer kunstvolle schnoerkel war.
• eigentlich alle anderen sprachen unserer welt gehen mit den grossBuchstaben viel sparsamer um. keine hat so viele regeln zur gks wie das deutsche: das regelWerk des rechtschreibrates hat 91 seiten, davon befassen sich 21 seiten mit gks! das ist fast ein viertel (23%)!

das waren viele gute argumente fuer mich und: einsichten soll man nicht nur haben, sondern auch umsetzen! also habe ich damals mit der kleinSchreiberei angefangen. das war eine interessante erfahrung, weil ich dann student der germanistik wurde und einige diskussionen mit den assistenten meines faches gefuehrt habe. aber in den 68-ern war einiges moeglich, und ich habe auf meine klein-geschriebenen hausArbeiten immer gute noten bekommen.

ein groesseres problem war meine diplomArbeit, die ich fuer die sozialWissenschaften geschrieben habe. meine mutter hat die arbeit fuer mich in reinSchrift getippt. sie war sehr schnell auf der schreibMaschine und mir wurde die zeit bis zum abgabeTermin sehr knapp (wie das so ueblich ist). jedenfalls hat es mich viel ueberzeugungsArbeit gekostet, sie dazu zu bewegen, beim abtippen meine kleinSchreiberei beizubehalten – deshalb: LIEBE MUTTER, NOCH MAL VIELEN DANK, DASS DU SO ZU DEINEM SOHN GEHALTEN HAST!

abschliessend noch notizen zu dem thema

jacob grimm 1854: „den gleichverwerflichen misbrauch groszer buchstaben für das substantivum, der unserer pedantischen unart gipfel heiszen kann, habe ich […] abgeschüttelt.“

im jahr 1925 machte sich das bauhaus die kleinSchreibung zum programm: „warum 2 alfabete, wenn eins dasselbe erreicht? warum großschreiben, wenn man nicht groß sprechen kann?“

heinrich boell bemerkte 1973, dass eine sprache weder an informationswert noch an poesie verliere, wenn sie von der groß- zur kleinSchreibung übergeht.

die kommission der deutschen rechtschreibreform von 1996 befürwortete die einführung der gemäßigten kleinSchreibung, scheiterte jedoch an politischem widerstand, sodass in der folge einige mitglieder die kommission verließen.